Offenbach, den 13. Juli 2017

Herrn Ministerpräsident Volker Bouffier
Herrn Staatsminister Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,
sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Dr. Lorz,

wir Eltern wünschen uns ein Schulsystem, in der jedes unserer Kinder in der allgemeinen Schule willkommen ist, nicht immer nur nach seinen Schwächen begutachtet wird, sondern so, wie es ist, bestmöglich gefördert werden kann. Wir begrüßen es sehr, dass Sie dafür die Grundlagen geschaffen haben, indem Sie die inklusive Beschulung per Gesetz zum Regelfall gemacht haben.

Doch auch dieses Schuljahr hat wieder einmal gezeigt, dass sich die eigentliche Umsetzung noch schwierig gestaltet. Denn die verantwortlichen Lehrkräfte, die Bildung sowohl individuell und als auch gemeinsam für alle, sowohl gleichberechtigt und als auch für jeden auf seinem Niveau dann in der Praxis realisieren sollen, brauchen dafür mehr Unterstützung! Die Tatsache, dass Lehrerinnen und Lehrer bereits jetzt schon allerorts fehlen, setzen wir als bekannt voraus. Und jetzt bestätigt die neue Bertelsmann-Studie von Prof. Klaus Klemm und Dr. Dirk Zorn auch noch, dass die Schülerzahlen eben nicht sinken, sondern steigen werden.

Art. 24 der UN-BRK lässt keinen Zweifel an der Pflicht zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems. Der UN-Fachausschuss rügte dementsprechend im April 2015, dass Deutschland hier noch nicht sehr weit gekommen ist.

Die flächendeckende Versorgung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist dabei die besondere Herausforderung, der Sie sich sofort und unmittelbar stellen müssen: Gerade im ländlichen Raum ist es kaum möglich, ein angemessenes Angebot der auf die verschiedenen Behinderungsarten spezialisierten Förderschulen aufrecht zu erhalten. Hier müssen die inklusiven Formen der sonderpädagogischen Förderung an den allgemeinen Schulen unverzüglich weiter ausgebaut werden.

Und nicht nur bei den Grundschulen werden allerorts Lehrkräfte sowie weitere Assistenzkräfte zur Unterstützung gebraucht, um jedem Kind gerecht zu werden, sondern in allen Schulformen zur Umsetzung eines wirklichen inklusiven Systems. Es kann nicht sein, dass wir Eltern mit unseren Kindern mit Behinderungen zur Förderschule geschickt werden, weil sich die Lehrkräfte allein hilflos und überfordert einer Mangelverwaltung ausgesetzt sehen und mit der falschen Hoffnung vertröstet werden, dass die Zahl der Schüler vielleicht irgendwann einmal abnimmt.

Art. 4 UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten zum unmittelbaren Handeln und zwar „unter Ausschöpfung der verfügbaren Mittel“! Und Mittel sind in Hessen durchaus verfügbar. Bei den Planungen für den Landeshaushalt müssen sie aber so weit wie möglich für die Bildung zur Verfügung gestellt werden.

Wir fordern Sie daher auf:

  • Machen Sie die Bildung unverzüglich zum Schwerpunktthema Ihres politischen Handelns!
  • Sorgen Sie dafür, dass in allen Entscheidungsgremien des Landtags die notwendigen Mittel für eine gute Bildung unserer Kinder zur Verfügung gestellt werden!
  • Planen Sie im Etat der Bildung im Haushalt des Landes Hessen vorrangig die Mittel für die inklusive Bildung in der angemessenen Form!

Wir erwarten ein schnelle und konkrete Verbesserung der Situation im kommenden Schuljahr.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dorothea Terpitz
1. Vorsitzende Gemeinsam leben Hessen e.V.

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